15 Fragen an Andrea Phillips

Einige von euch kennen Andrea Phillips bereits als Puppetmaster aus ARGs wie Perplex City oder der 2012 Experience. Andere kennen sie, weil sie derzeit die Special Interest Group „Alternate Reality Games“ der International Game Developers Association leitet.

Und wenn ihr sie noch besser kennen lernen wollt, dann habt ihr jetzt in unserem neuen 15-Fragen-Interview die Möglichkeit dazu:

01. Wie und wann bist Du mit ARGs in Berührung gekommen?

Bereits im April 2001, schickte mir mein bester Freund einen Link zur Anti-Robot Militia Website.Wir fragten uns, was da zum Teufel vor sich ging und verbrachten den ganzen Nachmittag damit, Links zu anderen Seiten zu folgen. Das ganze war Teil des ARGs The Beast und geschah lange nachdem ich einCloudmaker geworden war, aber nicht lange danach, wurde ich auch ein Cloudmaker Moderator.

02. Hast Du auch mal an einem ARG als Spieler teilgenommen? Wenn ja, an welchem?

Bei The Beast. Danach fühlte ich mich eine Weile wie ausgebrannt, denn das war schon eine sehr intensive Sache: Trail-Updates zu verwalten und Artikel zu schreiben und dabei immer ganz vorn in der Community mit dabei zu sein. Ich versuche zumindest immer die Spiele zu verfolgen – ilovebeesArt of the H3ist,Eldritch ErrorsWhy So Serious und so weiter. Aber ich bin definitiv ein Lurker und kein Rätsellöser. Inzwischen ist es für mich auch schwierig mich für das selber mitspielen zu begeistern, da ich ja auch und eher auf der anderen Seite des Vorhangs stehe. Die Spiele, die in den letzten Jahren schafften mich zum mitspielen zu bewegen, waren Eagle Eye Freefall und Must Love Robots. Und das, weil sie von den Teilnehmern keinen hohen Beteiligungs-Aufwand voraussetzten.

03. Bei welchem ARG warst Du Puppetmaster/ BHTS (Behind The Scenes; jmd. der hinter dem Vorhang mithilft) und was war deine Aufgabe dabei?

Ich war bei Perplex City involviert und war dort für dies und jenes zuständig: viel Schreibarbeit, Rätsel-Design, den anderen Schreibern wegen ihrer Beiträge auf die Füße treten und andere Produktionsarbeiten. Es war ein fantastisches Arbeits-Umfeld, weil es einem die Möglichkeit bot, in jedem Bereich etwas zu tun. Das anderen große Projekt an dem ich beteiligt war, war Routes für Channel 4 Education. Ich leitete dort den Bereich Interaction Design, was soviel bedeutet wie: Meine Aufgabe war es, die Struktur der Experience, die Aufgaben und Herausforderungen sowie die Minispiele zu definieren. Und bei der 2012 Experience war ich Game Designer und Lead Writer. (Wobei hierzu gesagt sei, dass bereits viele gute Inhalte für die 2012 Experience existierten als ich an Bord kam. Ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken!) Zu Teilen haben ich auch bei anderen Experiences mitgewirkt und konnte dabei viele Erfahrungen sammeln, aber ihr wollt bestimmt keine ausführliche Liste meiner ganz privaten Zusammenfassung.

04. Welches ARG ist aus deiner Sicht bisher das Beste gewesen? Und Warum?

Zur Zeit ist Must Love Robots mein Favorit, weil es so ehrlich und süß war. Es war auch hervorragend konzipiert und man konnte ihm einfach folge, auch wenn man nicht sehr viel Zeit hatte um ein stark involvierter Spieler zu sein. Ich bin schon gespannt auf weitere, erstaunliche Dinge von den Jungs.

05. Was war für Dich die lustigste/amüsanteste Situation während eines ARGs, egal ob als PM oder als Spieler?

Das war in Perplex City, und zwar als der Charakter Anna Heath ermordet wurde. Die Spieler schickten daraufhin aus Trauer 333 Papier-Kraniche in das Mind Candy Büro. Das hat mich wirklich sehr berührt. Ich hatte für den Charakter von Anna Heath geschrieben, und war zuvor besorgt, dass die Spieler nicht wirklich mit ihr verbunden waren. Ich hatte mich geirrt!

06. Erinnerst Du Dich an eine Situation aus einem ARG, die Du lieber aus deinem Gedächnis streichen würdest?

Nein, nichts. Etwas zu vergessen heißt, man kann nichts mehr daraus lernen. Sicher hat es auch schmerzhafte Momente in meiner Karriere gegeben, aber der einzige Weg um besser zu werden besteht darin aus solchen Dingen zu lernen. Mann kann sich nur dann weiterentwickeln, wenn man auch bereit dazu ist, Risiken auf sich zu nehmen und Fehler zu begehen.

07. Wie erklärst / beschreibst Du deiner Familie, Verwandten und Freunden den Begriff ARG und wie reagieren sie darauf?

Neun Jahre bin ich nun schon dabei und ich habe noch immer keinen guten Weg gefunden, das zu beschreiben! Ich denke aber mit dem Begriff „Transmedia“ wurde bereits ein guter Weg eingeschlagen, wobei:“Es geht im Grunde ums Geschichten erzählen, verstreut über verschiedene Orte und zur gleichen zeit, etwa so wie wenn man zur rechten Zeit am rechten Ort ist, Zeuge eines wunderbaren Erlebnisses wird und dieses sogar mitgestalten kann.“

08. Welche drei Dinge sind auf jeden Fall notwendig für ein gutes ARG?

Ein gutes ARG benötigt in jedem Fall eine gute Geschichte. Das ist es, was das ARG interessant macht. Es braucht darüber hinaus auch eine gute Struktur: wie einfach können die Teilnehmer dem Ganzen folgen und mitspielen, wie finden neue Teilnehmer ihren Weg in die Experience und wissen, was geschieht und wo und so weiter. Ohne eine gute Struktur, spielt es keine Rolle, wie gut die Geschichte ist, denn niemand wird in der Lage sein herauszufinden, was als nächstes zu tun ist oder wohin es als nächstes geht. Außerdem braucht es die völlige Hingabe des Entwickler-Teams. Sie müssen mit völliger Hingabe zusammenarbeiten, planen, auf unvorhergesehene Geschehnisse reagieren und die Show am laufen halten.

09. Hast Du einen Lieblingscharakter aus einem ARG?

Bei so etwas bin ich nicht sehr gut. Ich liebe mindestens die Hälfte des Casts von The Beast im Allgemeinen, sowie Mephisto und Mike Royal, im Besonderen. Und ich mag den lieben O11iver von Must Love Robots wirklich. Natürlich ist auch der Joker erstaunlich. Und Charlie Frost hat jede Menge Spaß beim Schreiben bereitet.

10. Arbeitest Du gerade an etwas Neuem? (Verrätst du uns an was, wenn du darfst? 😉 )

Phew. Ihr wisst doch wie das ist…  ^ _ ^

11. Welches Rätsel aus einem ARG ist dir besonders in Erinnerung geblieben oder hat dir am meisten Spaß gemacht? Kannst Du uns auch sagen warum?

Mike Royal habe ich ja schon erwähnt. Das war wirklich eine besondere Erfahrung: Du rufst eine Telefonnummer an und dann ist da ein echtes Kerl am anderen Ende der Leitung. Das war übrigens in The Beast, und man musste Mike dazu überreden, einen entführten Jungen zu retten. Wir hatten vorher noch nie von so etwas gehört und es war elektrisierend. Ich denke, den meisten Spaß mit Rätseln hatte ich in meinem eigenen Projekt bei den Live-Text-Adventures derPerplex City. Die haben schon beim Schreiben wirklich unglaublich viel Spaß bereitet, und ich denke, die Spieler hatten damit ebenfalls eine tolle Zeit. So etwas würde ich gern auch eines Tages noch einmal machen.

12. Hast Du etwas wie ein Motto oder einen Leitgedanken während Du eine ARG organisierst und spielen lässt?

Gleichgewicht , Gleichgewicht und  Gleichgewicht des Spiels. Es gibt eine schmalen Grad zwischen Zugänglichkeit und Spieltiefe, die man bewältigen muss. Immerhin steht einem für die Realisierung nur eine endliche Menge an Geld zur Verfügung, nicht wahr? Wenn man eine wirklich tiefgehende Experience entwickelt, dann ist eine Menge des erstellten Materials nicht für Gelegenheits-Spieler verfügbar. Ich versuche deshalb immer eine Balance aus dem folgenden zu finden: Einerseits dem Eisberg, bei dem nur ein kleiner Teil über dem Wasser ersichtlich ist und über 90% nur weit unter der Oberfläche liegen, also dort wo ein Gelegenheitsspieler sie niemals finden wird und andererseits einer Experience die niemals über das hinausgeht, was das Auge des Betrachters nicht sofort erfassen kann, wodurch es für die Teilnehmer zu einer völlig undankbaren Aufgabe wird, die gerne noch ein bisschen unter der Oberfläche kratzen wollen. Letzlich ist dieses Gleichgewicht aber auch bei jedem Spiel anders.

13. Wolltest Du schon mal in irgendeiner Situation alles hinwerfen und aufgeben? Was ist passiert?

Ich weiß immer noch nicht genau warum, aber Routes war ein unglaublich schwieriges Projekt für mich –  von Anfang bis Ende. Am Vorabend des Starts, war ich absolut davon überzeugt, dass es das Schlimmste sein wird, was ich jemals gemacht habe und dass alle, die es spielten mich persönlich dafür hassen würden und ich nie wieder arbeiten würde. Es war absolut erschreckend. Inzwischen aber war Routes für eine ganze Reihe von Auszeichnungen nominiert und sogar einige davon nach Hause geholt. Das zeigt einmal mehr, dass der Schöpfer eines Werkes nicht unbedingt sein bester Richter ist, heh.

14. Hattest du schone einmal ein Lieblingsobjekt aus einem ARG, welches du aber wieder abgeben musstest, weil es dringend von einem IG-Charakter benötigt wurde?

Ich hätte unheimlich gern eines der Flucht-Tickets behalten, die wir während der 2012 Experience versteigert haben. Und ich bin immer noch unglaublich traurig, dass mir 2 Karten aus der Perplex City Season 1 fehlen. Die Karten der Season 2 habe ich leider gar nicht gesehen und einen der begehrten Schlüssel habe ich auch nicht.

15. Wie sieht deiner Ansicht nach die Zukunft der ARGs aus?

Ich denke, dass ARGs in eine größere Sache übergehen werden: Transmedia. Es dauert nicht mehr lange, dann werden wir die Abgrenzungen nicht mehr erkennen können. Eine Menge Transmedia-Experiences wird weiterhin mit ARG-Werkzeugen gestaltet werden, um ihre Geschichten zu erzählen, und ich denke es wird eine Menge neuer, phänomenaler Dinge entstehen. Werden diese auch zu ARGs werden? Vielleicht werden sie es, vielleicht aber auch nicht. Am Ende des Tages glaube ich nicht, dass es darauf ankommen wird. Eine Rose würde unter jedem anderen Namen noch genauso süß duften. Ich bin bessen davon, diese größere Etwas zu finden, zu entdecken, welche Formen eine Story in der Online-Welt noch annehmen kann. Nennt es wie immer ihr wollt, aber haltet mich nicht davon ab, weiter zu schreiben!

Vielen Dank, Andrea, dass du dir die Zeit genommen hast unsere 15 Fragen zu beantworten. Wir hoffen, dass wir noch viele ARGs von Dir in der Zukunft spielen können.

Auf ihrem Blog „Deus Ex Machinatio“ schreibt Andrea über ihre Projekte und Sachen, die sie zu diesem Thema im Internet findet.